Test des Flow Fusion Gleitschirm

Nachdem ich über den australischen Newcomer Flow Paragliders (by Felipe Rendez) immer wieder Positives gehört habe, war die Neugier groß, deren neuen C-Schirm Fusion zu testen. Das Konzept eines hybriden 2-3-Leiner klang zu interessant um einen Test zu widerstehen. Der XCRacer (2-leiner EN D) hat den Wettbewerbs-Markt 2018/19 bereits kurzfristig aufgemischt und damit den Fokus auf den australischen Hersteller gelenkt. Felipe kommt ursprünglich aus der Kite-Szene, ist aber als Wettkampf-Pilot kein unbeschriebenes Blatt.

Mein Fusion Tester erreichte mich letzte Woche, kurz vor dem großen Wetterumschwung. Daher hatte ich leider nur ein kurzes Fenster zwischen 2 Fronten um den Flügel zu testen. Zu wenig Höhe um Klapper und Strömungsabrisse zu testen. Größe M (80-103kg) ist für mein Startgewicht von 93kg suboptimal. Aber das war von vorn hinein klar. Größe S dürfte auch bald verfügbar sein.

Daten zum Test

Gleitschirm: Flow Fusion Größe M (80-103kg), Farbe Fire
Zulassung: EN C (mid C)
Abfluggewicht: 93kg gesamt
Testgebiet: Pfänder Bregenz
Bedingungen (insgesamt 1:40 airtime):

  • 1. Start max. 15km/h Wind, keine Thermik.
  • 2. Start etwas Seitenwind, leichte dynamische Thermik
  • 3. Start leichter Rückenwind, etwas Thermik (2. Testtag)
  • 4. Start leichter Rückenwind, engräumige, teils bockige Thermik (2. Testtag)

Allgemeine Informationen

Der Fusion ist ein so genannter Hybrid 2-3-Leiner. Das bedeutet, dass er in der Mitte des Flügels bis zum Außenflügel 3 Leinenebenen besitzt, die Außenflügel jedoch nur noch 2 Ebenen (Details dazu findet ihr bei Lucian). Dadurch sollen 30m Leinen gespart worden sein. Der Fusion soll ein 2-Leiner-Feeling haben. Dazu kann ich nichts sagen, da ich bisher keinen 2-Leiner geflogen bin. Ich kann mir nach den ersten Flügen allerdings gut vorstellen was gemeint ist. Zumal ein bekannter XCRacer Pilot meinte, der Fusion fühle sich ähnlich dem XCRacer an. Mit seiner Streckung von 6.35 ist er in der Mitte der derzeitigen C-Klasse angesiedelt. So wird er auch angepriesen. Das Testprotokoll von Air Turquoise liest sich positiv für einen Schirm dieser Klasse.

Die Sharknose des Fusion ist mit den orangenen (eher knickunempfindlichen) Stäbchen ausgestattet. Im Obersegel, aufgebaut aus 68 Zellen, laufen die die Stäbchen weiter bis ca. 30cm vor die Hinterkante. Allerdings sind die Stäbchen unterteilt in 3 Teile! Also Nase, oberer Flügelteil und unterer Flügelteil. Dadurch kann beim Packen wohl auf eine Rolle verzichtet werden da das System weniger knickempfindlich ist.

Der Tragegurt ist eine Klasse für sich! Dieser ist sehr aufwendig gestaltet um beim C-Steering über die hintere Eben ein optimales Profil zu wahren. Die hintere Ebene ist mit leichten Holzgriffen zum Pilotieren und Korrigieren im beschleunigten Flug ausgestattet.

Das Leinenbündel pro Seite ist wirklich extrem reduziert! Ich habe so etwas noch bei keinem 3-Leiner gesehen – Hybrid eben. Die Leinen sind allesamt unummantelt, außer im unteren Bereich der A- und Stabileinen. Dort sind sie farblich hervorgehoben.

Das Gewicht der Größe M liegt bei 4.65kg. Ich habe es nicht nachgewogen. Die Verarbeitung ist sehr ordentlich und alle Leinenaufhängungspunkte sind extra verstärkt. Produziert wird der Fusion im selben Werk wie z.B. die Airdesign-Schirme aus Österreich.

Start

Mein erster Start war bei ca. 10km/h Wind von vorne. Rückwärts aufgezogen steigt die Kappe langsam aber sicher bis zum Zenit und tendiert dabei überhaupt nicht zum Überschießen. Der Flügel kommt sauber und gleichmäßig hoch uns lässt sich dann entspannt stabilisieren. Mein zweiter Start war bei leichtem Seitenwind vorwärts. Auch hier kommt der Fusion gleichmäßig, leicht verzögert, nach oben. Am Zenit möchte er dann etwas gebremst werden. Für einen Schirm dieser Klasse ein vorbildliches Startverhalten.

Gleiten

Zum Gleiten muss ich einen eigenen Absatz schreiben. Ich hatte zwar keinen Gegner, weiß aber auf welcher Höhe ich am Pfänder bei 0-Bedingungen in der Regel raus komme. So hoch kam ich bisher noch nie an. Im Trimspeed, der außerordentlich hoch ist, gleitet er außergewöhnlich gut.

Fluggefühl

Das wichtigste beim Fliegen ist meines Erachtens das Gefühl unter einem Gleitschirm. Ist es gut, trägt es zu Spaß und vor allem Gelassenheit bei. Beim Fusion ist das Gefühl etwas Besonderes. Die Kappe verfügt über eine außerordentlich hohe Spannung und wirkt wie ein gedämpftes Brett – im positiven Sinne. Sie ist sehr gut abgespannt und fühlt sich enorm stabil an. Der Zug auf der C-Ebene ist sehr hoch – so einen Druck hatte ich bisher bei keinem Schirm. Das ist vermutliuch auch ein Teil des 2-Leiner-Feelings. Der Fusion steht stoisch und sehr komfortabel über dem Piloten. Die Dämpfung über alle Achsen ist für diese Klasse außergewöhnlich hoch und vermittelt ein sicheres und komfortables Gefühl. Allerdings etwas auf Kosten der Dynamik. Dazu muss ich noch folgendes sagen: ich bin den Fusion unter dem mittleren Gewichtsbereich geflogen -> suboptimal. Ich fliege gerne an der Obergrenze oder leicht darüber und empfohlen wird auch das letzte Viertel zu belasten. Dazu kommt, dass die Bremsen einen etwas zu hohen Vorlauf haben, auch gewickelt (würde ich um 5-6cm kürzen). Das trägt alles dazu bei, dass einem der Schirm weniger agil erscheint. Herausfinden werde ich das sicherlich noch bei Größe S (72 bis 92kg). Halten wir fest: der Fusion ist extrem komfortabel zu fliegen, aber nicht der agilste. Ein klassischer Flachdreher. Ich persönlich finde das gar nicht so schlecht, da ich mittlerweile mehr Wert auf entspanntes Fliegen lege.

Bremsdruck

Der Druck liegt über dem mittleren Bereich. Auf den ersten Centimetern eher leicht, dann ansteigend. Da ich nur kurz in leichtem Steigen geflogen bin, kann ich nichts zu einer evtl. Ermüdung der Arme sagen. Die Reaktion auf den Bremsen fühlt sich etwas gedämpft an. Daher würde ich sie auf jeden Fall etwas kürzen oder BrakeBalls montieren.

C-Steering

Mittels der Holzgriffe kann die hintere Ebene im beschleunigten Flug zur Steuerung und zum aktiven Fliegen genutzt werden. Der Druck ist allerdings ungewohnt hoch und man muss schon etwas Arbeiten um den Schirm zu einer Kurve zu überreden. 2-Leiner-Feeling? Bei meinem aktuellen Skywalk Spice ist die C-Eben relativ leicht zu ziehen und beim Swift 5 schon beinahe etwas fahrlässig weich. Vermutlich eine Sache der Gewohnheit. Das gilt es beim Streckenfliegen herauszubekommen.

Thermikfliegen

Meine dynamischen Schwünge würde ich weniger als Thermikfliegen bezeichnen. Dazu kann ich in dem Fall nicht so viel sagen. Der Schirm geht flach in die Kurven und fühlt sich sehr ausgewogen und satt an. Er setzt den Schwung aus den Kurven schön in Steigen um. So macht Kreisen Laune! Die Kurven sollten auf jeden Fall mit Gewichtsverlagerung eingeleitet werden.

Ohren anlegen

Das klappt über die äußerem A-Leinen wunderbar. Um einigermaßen effektive Ohren hinzubekommen, müssen die Leinen möglichst weit oben gegriffen werden. Ein beherzter Zug ist nötig um die Ohren reinzuholen. Wenn sie dann drin sind, bleiben sie schön stabil. Das Öffnen erfolgt bei beschleunigten Ohren verzögert und es muss nachgeholfen werden um sie zu öffnen. Unbeschleunigt gehen die Ohren leicht verzögert von alleine wieder auf. Die Sinkwerte sind im Mittelwert.

Dynamik

Wie bereits beschrieben kann ich dazu noch gar kein abschließendes Statement abgeben, da ich den Schirm unter der Mitte belastet habe und mir die Bremsen als zu lang erschienen. Ein Spaßflügel zum Haken schlagen scheint der Fusion dennoch nicht zu sein. Dafür verfügt er über eine sehr komfortable Dämpfung und wirkt in keiner Weise nervös. Ein echter Carver eben. Ich hoffe allerdings dennoch, dass Größe S oder auch die Leichtversion, die im Frühjahr 2020 auf den Markt kommen soll, über etwas mehr Dynamik verfügt.

Klapper

Habe ich noch nicht getestet. Zu wenig Höhe, zu kurze Flugzeit. Evtl. noch am Wochenende möglich.

Landen

Der Fusion gleitet und gleitet… Landeplatz auf jeden Fall gut einteilen! 🙂 Ansonsten easy.

Fazit

Ich glaube Flow Paragliders ist mit dem Fusion ein besonderer Wurf gelungen. Ich persönlich bin beeindruckt von dem satten Gefühl unter dem schnellen Flügel. Er fühlt sich an wie ein tiefergelegter Porsche, dennoch mit toller Federung und hohem Komfort. Wie er sich in harter Thermik und im Streckenalltag macht kann man nur grob abschätzen. Mich hat er zumindest schon mal soweit überzeugt, dass ich die Größe S auf jeden Fall noch testen werde. Er ist definitiv etwas Besonderes. Designed down under.

NACHTRAG 1:

Heute, nach ca. einer Stunde Flugzeit, bei thermischen Bedigungen folgender Nachtrag:

  • die Bremsen habe ich mit meinen BrakeBalls nachgerüstet. Dadurch konnte ich einige Centimeter weiter oben greifen. Das Gefühl zum Schirm ist jetzt ein ganz anderes. Die Bremsen greifen sehr direkt und der Flügel kommt gut um die Ecke. Der Arbeitsbereich ist angenehm kurz und linear.
  • die Thermiken waren nicht wirklich stark, aber teils bockig und sehr engräumig. Der Fusion steckt das alles komfortabel weg und gibt ein gutes Feedback. Er zieht schön in die Thermiken und beißt sich beim Einfliegen sauber rein (Bremsinput notwendig).
  • das Steuern über die speziellen Griffe im beschleunigten Flug klappt sehr gut. Der Flügel verformt dabei nicht einmal das Profil. Die Lösung des Tragegurts ist wohl durchdacht!
  • 2 weitere Vorwärtsstarts bei leichtem Rückenwind: klappt zuverlässig und noch besser wenn man nur die inneren A-Leinen über dem Leinenschloss greift. Ist etwas kniffelig, da die A-Leinen am Tragegurt kaum räumlich getrennt sind.

NACHTRAG Größe S:

Ich bin Größe S jetzt einige Male im Vergleich zur Größe M geflogen. Ganz oben belastet (93kg) ist er wesentlich dynamischer und geht sehr gut um die Ecke! Einen Nachteil bzgl. der kleineren Fläche konnte ich nicht feststellen

flow_fusion

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